Kommentar

Freitag, 16. November 2007

Wer oder was ist die "islamische Bombe"?

„Es war ein wohlkalkulierter Appell an die Urängste des Westens.“ Mit diesem Satz beginnt der Artikel „Die islamische Bombe“ von Urs Gehriger. (Weltwoche vom 15.11.2007, S. 18) Er beschreibt eine Aussage der pakistanischen Oppositionspolitikerin Benazir Bhutto; doch er benennt gleichzeitig auch, was Gehriger in seinem Artikel selbst tut.

Ist es Zufall, journalistische Ungenauigkeit oder Absicht, dass im Titel, an Stelle des im Text verwendeten Begriffes der „islamistischen Atombombe“ lediglich noch „islamische Bombe“ steht? Platzgründe können dafür nicht den Ausschlag gegeben haben. Und „Die islamistische Atombombe“ wäre genau so prägnant und knackig gewesen. Oder etwa doch nicht? Während „islamisch“ als Adjektiv verwendet wird, um Phänomene wie z. B. die „islamische Zeit“, die „islamische Kunst“ etc. in Zusammenhang mit einer ganzen Religionsgruppe zu bringen, hat man das Wort „islamistisch“ gebildet, um „terroristische“ Gruppierungen, welche von sich sagen, dass sie im Namen des Islam handelten, zu charakterisieren.

Der Artikel von Gehringer will der Frage nachgehen, ob die Ängste, welche in Verbindung mit den Unruhen in Pakistan in den letzten Tagen in der Presse mehrfach angesprochen wurden, die Ängste, dass die Pakistanischen Atombomben in die Hände einiger „fanatischen Geister“ geraten könnten, berechtigt sind. Durch die im Titel vorgenommene Umwandlung des Ausdrucks „islamistisch“ in „islamisch“ wird dem Leser aber zugleich, wenn auch unmerklich, mitgeteilt, dass die Bedrohung nicht bloss von gewissen Terroristen ausgeht, sondern von einer ganzen Religionsgemeinschaft. Die im Artikel thematisierten Ängste vermischen sich subtil mit den durch den Stereotyp des aggressiven, expandierenden Islams geschürten Ängsten.

Man kann sich auch fragen, warum solche – gewollten oder ungewollten – Ungenauigkeiten zu dem Zeitpunkt in einer Zeitschrift auftauchen, die bekanntermassen der Schweizerischen Volkspartei nicht abgeneigt ist, zu dem eben diese Partei eine Initiative mitlanciert hat, die den Bau von Minaretten in der Schweiz verhindern soll. In der Begründung der Initianten für ihr Begehren ist zumindest genau der oben angesprochene Stereotyp herangezogen, und er wird weiter genährt, wenn da steht: „Das Minarett als Bauwerk hat keinen religiösen Charakter; es wird weder im Koran noch in anderen heiligen Schriften des Islam auch nur erwähnt. Das Minarett ist vielmehr Symbol jenes religiös-politischen Machtanspruchs, der im Namen behaupteter Religionsfreiheit Grundrechte anderer - etwa die Gleichheit aller, auch beider Geschlechter vor dem Gesetz – bestreitet […]” (www.minarett.ch, am 15.11.2007).

Die Trägerrakete auf dem, den Artikel illustrierenden Bild, welche eine der vermeintlichen ”islamistischen Atombombe[n]” darstellt, gleicht dann auch in verblüffender Ähnlichkeit der graphisch vereinfachten Minarettdarstellung, die auf der Startseite der von der Initiative eingerichteten Hompage zu finden ist.

Freitag, 9. November 2007

Von guten und schlechten Populisten oder über argumentative Strategien

Es ist nicht einfach herauszulesen, was uns Markus Somm mit seinem Artikel „Prodis Operettenpolitik“ mitteilen möchte. Auf den ersten Blick sowie der Überschrift entsprechend steht der italienische Premierminister Romano Prodi im Zentrum der Überlegungen. Indem dessen neulich ausgerufene Massnahmen für eine schnelle Ausschaffung straftätiger oder als gefährlich einzuschätzender Ausländer – gemeint sind jedoch hauptsächlich Personen rumänischer Staatszugehörigkeit – als „schlechter“ populistischer Akt hingestellt wird, soll der Leser zugleich erfahren, was „wahrer“ Populismus sei.

Schnell wird jedoch deutlich, dass das eigentliche Thema des Artikels nicht Italien als vielmehr die Schweiz ist und dass, kennen wir erst das Wesen des Populismus, wir diesen in seiner schlechten Spielart nach Somm nicht bei der SVP und deren Aushängeschild Christoph Blocher zu suchen haben. Der Artikel spannt also einmal mehr den politischen Dualismus zwischen links und rechts auf, um diesen dann in für die Weltwoche gewohnter Manier einseitig zugunsten der Rechten aufzulösen.

Zur Argumentation
Die Schweiz wird von Somm in die Rolle des „ungeliebten Nicht-EU-Mitglieds“ gedrängt, ein direkter Rückbezug auf die Berichterstattung internationaler Medien über den Wahlkampf der SVP. Eine solche Reaktion der Presse blieb, so die Beobachtung des Autors, im Falle Italiens aus. Dies sei auf Prodis linksliberale Haltung zurückzuführen. Hätte Berlusconi oder die Schweiz zu denselben Massnahmen gegriffen, so wäre das Echo weitaus grösser ausgefallen. Indirekt möchte uns Somm also mitteilen, dass die negativen Reaktionen der internationalen Presse gegenüber der Wahlkampagne der SVP nicht inhaltlich begründet, sondern vielmehr ein Schlag gegen die Rechte als Rechte durch die „linksliberale Presse“ waren.

An der Handlungsweise Prodis könne man nun aufzeigen, was, wie es der Autor nennt, „schlechter Populismus“ sei, nämlich „wenn eine linke Regierung wie jene von Prodi überstürzt Gesetze erlässt – in der Hoffnung, ein verärgertes Volk zu besänftigen.“ Im Gegensatz dazu steht nach Somm die SVP. Wird der Partei im Zusammenhang mit der von ihr lancierten „Ausschaffungsinitiative“ und der dazugehörigen Schäfchen-Kampagne zum Vorwurf gemacht, Populismus zu betreiben, so erfahren wir nun, dass es sich dabei, wenn überhaupt um Populismus, zumindest um keinen „schlechten“ handelt.

Aber was unterscheidet „guten“ von „schlechtem“ Populismus? Somm möchte die Frage dadurch beantworten, dass er aufzeigt, wer die „wahren Populisten“ sind. Es zeige sich nämlich, dass der „schlechte Populismus“ ein Produkt der von der gemässigten Linken bevorzugten repräsentativen Demokratie (wie in Prodis Italien) sei. Darin könnten die Politiker sich über die Wünsche und Nöte der Bevölkerung nach Belieben hinwegsetzen. Zum Handeln seien die repräsentativen Demokraten erst dann gezwungen, so meint Somm, wenn das Fass zu überlaufen drohe und man sich mit überstürzten Gesten, wie der genannte Fall Prodis bestätige, dem Volk entgegenzukommen gewillt zeige.

Anders verhalte es sich in der „direkten Demokratie“, denn darin können die Sorgen der Menschen frühzeitig erkannt und wie es Somm nennt, in die „hohe Politik“ geschleust werden. Hier ist die Quelle des „guten Populismus“ zu suchen und es wird nun auch das wahre argumentative Ziel Somms deutlich. Die „Ausschaffungsinitiative“ der SVP wird damit gerechtfertigt. Sie wird als Musterbeispiels des „guten“ Populisten hingestellt, der die Probleme des Volkes frühzeitig aufgreift.

Was ist eigentlich Populismus?
Indem Somm die Linke als die eigentlichen Populisten im negativen Sinne diskreditiert und die Rechte, insbesondere die SVP, als die Guten darstellt, die auf die Probleme des Volkes eingehen, weil sie dieses mitbestimmen und dadurch seine Sorgen einbringen lassen, verpasst er (oder will bewusst verpassen) den wirklichen Vorwurf des Populismus, dem sich die SVP ausgesetzt sieht. Denn die SVP ist nicht dadurch populistisch, dass sie auf das Volk eingeht und dieses mitbestimmen lassen will. Dies möchte natürlich auch die Linke.

Populismus zeigt sich vielmehr in der Art und Weise, wie man auf die Bevölkerung eingeht und diese für die eigene Sache gewinnen will. Im konkreten Fall der SVP zeigt sich dies insbesondere darin, dass ein an sich sehr komplexes Thema wie dasjenige der Immigration nicht in der ihm entsprechenden Differenziertheit angesprochen wird, sondern lediglich einige nachvollziehbare Lösungsvorschläge geliefert werden. Zudem wird darauf geachtet, dass man die vermeintlich ultimative Problemlösung einfach präsentiert und zwar so, dass gerade die Einfachheit der Lösung in der Art der Präsentation angezeigt ist.

In dieser Weise sind die Schäfchen-Plakate und die dahinter stehende „Ausschaffungsinitiative“ populistisch. Und in diesem Sinne ist auch der Artikel von Markus Somm populistisch, auch wenn er vordergründig eine differenzierte Argumentation aufzuweisen vermag. Dies zeigt sich etwa darin, dass Somm beabsichtigter Weise zwei Mal den Begriff „Zigeuner“ verwendet, anstatt die von ihm damit gemeinte ethnische Gemeinschaft korrekt als „Roma“ zu bezeichnen.

Die Strategie ist leicht nachvollziehbar. Indem man sich nicht an politisch korrekte Aussageweisen hält, zeigt man, dass man die Probleme in derselben Weise angeht, wie sie in der Basis angesprochen werden. Man lässt sich doch von irgendwelchen Intellektuellen nicht vorschreiben, wie man spricht. Man nennt die Dinge beim Namen. In der Weltwoche führt dies derzeit sogar, dies sei nur angemerkt, zu Bemühungen, den Begriff der „Rasse“ zu rehabilitieren.

Indem man jedoch solche Begriffe verwendet, wie etwa den klar negativ konotierten Begriff des Zigeuners, werden nicht nur bestehende Meinungen aufgegriffen und beim Namen genannt, sondern auch Meinungen mitgeschaffen und beeinflusst. Es ist dieser letzte Aspekt der deutlich rassistisches Potential aufweist, indem eine bestimmte Gruppe von Menschen als solche in negativer Weise angesprochen und stigmatisiert wird.

Diese Dimension der Diskriminierung kann dann auch nicht dadurch eliminiert werden, indem man wie Somm einfach darauf hinweist, dass man Ausländer grundsätzlich begrüsst, sind es denn nicht „die Falschen“.

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