Freitag, 9. November 2007

Zur Schiefheit des historischen Vergleichs. Ein Beispiel.

In Roger Köppels Tagebuch erfahren wir diese Woche: „Historische Vergleiche sind immer schief [...].“ Ob diese allgemeine Behauptung der Wahrheit entspricht sei dahingestellt. Eine kritische Haltung gegenüber oftmals vorschnell herangezogenen historischen Beispielen ist sicher eine zu begrüssende Haltung. Dass aber zumindest einige historische Vergleiche in hohem Masse schief sind, hat Köppel in einem seiner letzten Tagebucheinträge ja selbst hinreichend demonstriert, als er die "SVPler" mit den "jüdischen Gewerbler der dreissiger Jahre in Deutschland" verglich. Ein Kommentar dazu scheint nicht nötig. Zumal es sich wohl eher – wie so oft in dieser Rubrik – um eine offensichtliche Provokation, denn um einen wirklichen Versuch des Verstehens eines Sachverhalts handelt.

Leser schreiben.

Flugs verlinkt im Weltwoche-Forum (und hier) folgen schon die ersten netten Kommentare, die ganz aufschlussreich sind und uns nur bestätigen:

So merkt ein Herr "Bänni" an:
"Von Weibern hast Du offensichtlich nicht den blassesten eines trüben Schimmers; und dass Du lieber liest als lebst, kaufe ich Dir sofort ab, scheinst Du doch während Deiner Marx-Lektüre nach Strich und Faden verstorben zu sein.
Mit allervitalsten Grüssen,
Bänni"

Eine Frau "Gutemine" meint etwas später "die Frauenträume des Single-Köppel und hobbyesoterischen Welterklärers möchte man sich dann doch nicht entgehen lassen :-))"

Herr "Proletarier" weiss: "da hat sich offenbar eine weitere selbsthilfegruppe gebildet, die sich gegenseitig die bestehenden vorurteile bestätigt. organisierte realitätsverweigerung unter durchsichtigem "intellektuellen" mäntelchen." Aber mahnt an, man solle uns "die gruppenonanie [nicht] vermiesen"

"Zarathustra" schliesslich glaubt, wir nähmen "die Völkische Woche wohl etwas allzu ernst, indem man so tut, als ob es sich bei diesen ’tintenklecksenden Lohnbuben’ (© Turi) um ernstzunehmende Journalisten handelt. Diesem notorisch Werte umkehrenden Blättchen sollte man eher satirisch begegnen. Und solange die Luzerner Woche eine höhere Auflage hat als die völkische, solange droht keine Gefahr."

Entweder nimmt man gar nicht ernst, was in der Weltwoche steht, sondern steht leicht belustigt darüber. Oder aber wir werden gleich mal auf einer persönlichen Ebene angegriffen, wobei man sich zugleich gutmütig gibt: zu Ende wird freundlich (vital!) gegrüsst und man will uns gerne auch unser 'Vergnügen' lassen. Schliesslich weiss man ja schon, was Sache ist, und braucht sich gar nicht irgendwelchen Argumenten zu stellen. Kurz: Wohlige Selbstgerechtigkeit.

Alles in allem sieht man sehr schön, wie die gängigen Argumentationsstrategien der Weltwoche ihren LeserInnen in Fleisch und Blut übergegangen ist.

„Zwischen Anmassung und Aufopferung“ (Weltwoche, 8. Nov. 07, S. 62-64)

In diesem Artikel werden drei Bücher vorgestellt, deren Ziel es in erster Linie ist, Lösungsvorschläge für die Behebung der Armut in Afrika und Drittweltländern zu liefern. Ob der Verfasser des Artikels, David Signer, die Thesen der drei Autoren Sachs, Easterly und Collier sowie deren Anliegen adäquat wiedergibt, mag dahingestellt sein. Hervorgehoben und in Frage gestellt werden soll hier vielmehr die – übrigens das gesamte Magazin durchtriefende – Tendenz zur Polarisierung in linke und rechte Gesinnung.

Es lohnt sich dabei, das zu untersuchen, was zuerst ins Auge springt: Titel mit Untertitel, Illustration, Hervorhebungen im Text. In ihnen kommt am deutlichsten zum Ausdruck, welchen Eindruck der Artikel auf die LeserInnen machen soll, was die Absicht und der Beweggrund des Verfassers (bzw. der Redaktion) sein soll, kurz: welche Wirkung der Artikel haben soll.

Im Untertitel wird „nach Gründen für das Elend in Afrika“ gefragt und gesagt, dass drei „renommierte Ökonomen“ in ihren Antworten „zu ganz unterschiedlichen Schlüssen“ kommen. Schön und gut. Doch was Signer nun mit Bezug auf die drei Ökonomen vorführt, das sind keine „Gründe für das Elend in Afrika“, sondern Lösungsvorschläge, um genanntes Elend zu beheben. Da steht auf der einen Seite Sachs’ „These“, Afrika sei nur mittels finanzieller Hilfe aus der Misere zu ziehen. Von der anderen Seite her trotzt Easterlys „Antithese“, dass jegliche finanzielle Entwicklungshilfe die Lage nur verschlimmere. Die Gegensätze überbrückt die „Synthese“ Colliers, es brauche sowohl Geldhilfe, als auch andere Massnahmen. Ohne tiefer in Signers Darstellung der sich dialektisch gegenüberstehenden Einsichten eintauchen zu müssen, ist offensichtlich, dass damit kaum „Gründe“ für die Armut Afrikas aufgezeigt werden. Selbst dort wo Signer meint, Gründe anzugeben, handelt es sich kaum um Erklärungen des Ursprungs von Armut: Es werden weder innere Dispositionen, noch äussere Ursachen verortet, die das Entstehen der Armut bedingt haben mögen. Dazu ein Beispiel aus dem Artikel: „Der springende Punkt ist für Sachs die Armutsfalle: Armut selbst ist die Hauptursache für Armut.“ Was soviel erklärt wie: Die Krümme der Banane ist die Hauptursache für die Krümme der Banane. – Zwischen Untertitel und Inhalt liegt ein unüberbrückbarer Graben.

Kommen wir auf die genannte Polarisierung zurück. Der Artikel wird von zwei Hervorhebungen durchbrochen, wovon uns die erste interessiert. Sie lautet: „Die klassische linke Erklärung – ‚Sie sind arm, weil wir reich sind’ – ist heute weniger denn je plausibel.“ Es sei nochmals der Argumentationsgang Signers vergegenwärtigt: Er fragt nach Gründen für die Armut in Afrika, gibt aber weder selbst, noch in seiner Darstellung der drei ökonomischen Sichtweisen eine Erklärung dafür, sondern bringt lediglich deren Lösungsansätze zur Schau. Wir warten also immer noch auf Erklärungen, bis uns Signer plötzlich und endlich die „klassische linke“ auftischt. Und bei diesem amuse bouche bleibt es dann leider auch. Ein weiterer Graben tut sich auf, oder geradezu ein Loch im Bauch. Verständnislos blicken wir auf Signers (oder Colliers?) Behauptung der aktuellen Unplausibilität der so genannt klassischen linken Erklärung: Wieso serviert er sie uns überhaupt? Sie hat mit den dargestellten Lösungsvorschlägen der drei Ökonomen ja gar nichts zu tun, eben weil es Lösungsvorschläge sind und keine Erklärungsversuche. Die Behauptung der Unplausibilität steht ohne Zusammenhang zu den Lösungsvorschlägen und wird durch sie schon gar nicht begründet.

Dazu kommt noch das Moment der Aktualität: Besagte Erklärung sei „heute“ unplausibler denn je. Soll das heissen, sie war früher noch plausibel? Eher meint wohl Signer, dass sie durch die neuesten Einsichten des dialektischen Dreigespanns Sachs, Easterly und Collier überholt ist. Doch liegt der angebliche Prozess des Fortschritts ja gerade nicht in der Ursachenerkenntnis, sondern (wenn überhaupt) in den Lösungsansätzen. Somit bleibt auch auf der zeitlichen Ebene die Unplausibilität unverständlich. Aber das ist noch nicht alles. Signer fährt unmittelbar nach der Unplausibilitätsthese fort: „Wirtschaft ist kein Nullsummenspiel. Ein Land profitiert, wenn es den andern gutgeht.“ Das ist heute sicher so, da mögen die „renommierten Ökonomen“ Recht haben. Es fragt sich aber, ob es vorher, beim Entstehungsprozess von Armut und Reichtum, auch schon so war. Diese Frage zu beantworten ohne dabei die eigene Verantwortung auszuschliessen, darauf zielt der „klassische linke“ Erklärungsversuch immerhin ab, der hier sehr plump formuliert und stark reduziert ist.

Um die Blossstellung des linken Erklärungsversuchs in den Kontext einzubetten, scheint sich Signer nun auch die politische Polarisierung im Hinblick auf die drei Ökonomen vornehmen zu müssen. So repräsentiert Sachs’ Buch die „Bibel der Linken“, Easterlys Werk wird „gerne von der Rechten ins Feld geführt“ und die Synthese, Colliers Schrift, die Signer am ausführlichsten behandelt, „zeigt, dass auch wenn die Verantwortung für die afrikanische Misere grösstenteils bei den dortigen Eliten selbst liegt, der Westen durchaus Möglichkeiten hat, ‚smart’ zu intervenieren, das heisst nicht primär mit enormen Summen, aber intelligent.“ Wo die Verantwortung liegt ist somit klar – klar somit auch Signers absolut plausible Gegenerklärung zur klassischen linken Erklärung für die Gründe von Armut, Misere und Elend Afrikas.

Bleibt noch die Illustration zu beachten, in der die Botschaft des Artikels doch am meisten durchschimmert: Auf dem Foto vier verlumpte Männer irgendwo in Afrika, darunter steht: „2,3 Billionen Dollar Entwicklungshilfe in fünf Jahrzehnten: Die Unterstützung Afrikas durch den Westen ist eine Tragödie.“

Einige Anmerkungen zum Text: „Hilflosigkeit Schweiz“ von Max Frenkel, (Die Weltwoche, Nr. 45, 8. Nov. 2007, S. 36-37.)

Im Wahlkampf um den Einsitz in den beiden Bundeshauskammern vom vergangenen halben Jahr, ist die Schweiz international negativ in die Schlagzeilen geraten. In den betreffenden Artikeln der europäischen und amerikanischen Presse ging es vornehmlich um die SVP. Bundesrat Christoph Blocher findet nun, dass die Organisation ‚Präsenz Schweiz’, welche für ein positives Image des Bundesstaates im Ausland sorgen soll, versagt, und damit ihrer Existenzberechtigung verloren habe. Der Artikel von Frenkel, welcher das Thema aufgreift, will zwei Dinge zeigen: Ersten, dass Blocher berechtigterweise meint, ‚Präsenz Schweiz’ solle abgeschafft werden. Dass die Organisation aber zweitens, im Gegensatz zu Blochers Annahme, die „Zerrbilder zu den eidgenössischen Wahlen“ nicht hätte verhindern können.

Die Argumentation Frenkels ist simpel. Im ersten Punkt habe der Vorsteher des eidgenössischen Justizdepartements recht, da ‚Präsenz Schweiz’ es tatsächlich nicht geschafft habe, die negativen Medienberichte zu verhindern; was aber nicht nur deren Verschulden gewesen sei, sondern auch an den Schweizer Medien sowie gewissen Politikern, unter anderem den Bundesräten Micheline Calmy-Rey und Pascal Couchepin, gelegen habe. Im zweiten Punkt gehe der SVP-Bundesrat aber fehl, da das „Pseudo-Bundesamt“ grundsätzlich gar nicht die Fähigkeit besitze seine Aufgabe zu erfüllen. Das Fazit welches Frenkel daraus zieht ist, dass die SVP es selbst in die Hand nehmen müsse, für ein positives Image der Schweiz im Ausland zu sorgen. Als stärkste Partei im Land habe sie sogar die Verpflichtung dazu.

Über die begründenden Argumente, die Frenkel aufführt, wie auch über die Schlussfolgerung, die er zieht, lässt sich streiten. Mehr noch: Sie laden dazu regelrecht ein. Vielleicht liegt es ja nicht am Unvermögen der „PR-Agentur“ des Bundes, dass die SVP von den ausländischen Berichterstattern als „Rechtsextrem“ bezeichnet wurde, sondern an dieser, respektive ihren Handlungen selbst. Und ist es denn überhaupt im Interesse der Schweiz, dafür zu sorgen, dass eine fremdenfeindliche Plakatkampagne jenseits der Grenze nicht als das angesprochen wird, was sie ist? Etc.

Doch bevor man sich zu solchen Erwiderungen hinreissen lässt, ist festzuhalten, dass in die Ebene der mehr oder weniger sachlichen Argumentation Frenkels eine zweite Ebene verwoben ist, welche nicht dazu dient, die Meinungen gewisser Personen anzugreifen, sondern diese Personen selbst zu entwerten. Sie zu betrachten ist eben so notwendig, und interessant, wie das Auflisten von Gegenargumenten zu dem, was Frenkel ins Feld führt. Denn sie ist unter anderem der Boden, auf dem, meist unbewusst, Vorurteile entstehen.

Die Strategie Frenkels ist es, Personen, deren Meinungen oder Handlungen im Text als schlecht ausgewiesen werden sollen, durch ein Adjektiv oder einen Nebensatz einzuführen, welches/welcher sie, aus psychischen, fachlichen oder sonstigen Gründen, als ihrer Aufgabe nicht gewachsen vorstellt. Zwei Beispiele: Micheline Calmy-Rey, Bundesrätin und Vorsteherin des Departements für auswärtige Angelegenheiten, welchem ‚Präsenz Schweiz’ angehört, wird von Frenkel als „hysterisch“ geschildert. Die Hysterie ist jene psychische Krankheit, welche Sigmund Freud dazu verleitete die Therapiemethode der Psychoanalyse zu entwickeln. Raphaël Saborit, „EDA-Vertreter“, der, laut Frenkel, Christoph Blocher an einer Veranstaltung von ‚Präsenz Schweiz’ als „Gefahr für die schweizerische Konkordanz“ bezeichnete, wird als ein Mitarbeiter des Bundes vorgestellt, der nicht fähig ist, gewisse Dossiers mit der nötigen Diskretion zu behandeln. Und die Strategie scheint sehr bewusst eingesetzt. In der Ausgabe der Weltwoche von vergangener Woche wurde unter anderem FDP-Präsident Fulvio Pelli, in einem Artikel über Pascal Couchepin, als „Stotterer“, und somit als der Rede unfähig, bezeichnet.

Von guten und schlechten Populisten oder über argumentative Strategien

Es ist nicht einfach herauszulesen, was uns Markus Somm mit seinem Artikel „Prodis Operettenpolitik“ mitteilen möchte. Auf den ersten Blick sowie der Überschrift entsprechend steht der italienische Premierminister Romano Prodi im Zentrum der Überlegungen. Indem dessen neulich ausgerufene Massnahmen für eine schnelle Ausschaffung straftätiger oder als gefährlich einzuschätzender Ausländer – gemeint sind jedoch hauptsächlich Personen rumänischer Staatszugehörigkeit – als „schlechter“ populistischer Akt hingestellt wird, soll der Leser zugleich erfahren, was „wahrer“ Populismus sei.

Schnell wird jedoch deutlich, dass das eigentliche Thema des Artikels nicht Italien als vielmehr die Schweiz ist und dass, kennen wir erst das Wesen des Populismus, wir diesen in seiner schlechten Spielart nach Somm nicht bei der SVP und deren Aushängeschild Christoph Blocher zu suchen haben. Der Artikel spannt also einmal mehr den politischen Dualismus zwischen links und rechts auf, um diesen dann in für die Weltwoche gewohnter Manier einseitig zugunsten der Rechten aufzulösen.

Zur Argumentation
Die Schweiz wird von Somm in die Rolle des „ungeliebten Nicht-EU-Mitglieds“ gedrängt, ein direkter Rückbezug auf die Berichterstattung internationaler Medien über den Wahlkampf der SVP. Eine solche Reaktion der Presse blieb, so die Beobachtung des Autors, im Falle Italiens aus. Dies sei auf Prodis linksliberale Haltung zurückzuführen. Hätte Berlusconi oder die Schweiz zu denselben Massnahmen gegriffen, so wäre das Echo weitaus grösser ausgefallen. Indirekt möchte uns Somm also mitteilen, dass die negativen Reaktionen der internationalen Presse gegenüber der Wahlkampagne der SVP nicht inhaltlich begründet, sondern vielmehr ein Schlag gegen die Rechte als Rechte durch die „linksliberale Presse“ waren.

An der Handlungsweise Prodis könne man nun aufzeigen, was, wie es der Autor nennt, „schlechter Populismus“ sei, nämlich „wenn eine linke Regierung wie jene von Prodi überstürzt Gesetze erlässt – in der Hoffnung, ein verärgertes Volk zu besänftigen.“ Im Gegensatz dazu steht nach Somm die SVP. Wird der Partei im Zusammenhang mit der von ihr lancierten „Ausschaffungsinitiative“ und der dazugehörigen Schäfchen-Kampagne zum Vorwurf gemacht, Populismus zu betreiben, so erfahren wir nun, dass es sich dabei, wenn überhaupt um Populismus, zumindest um keinen „schlechten“ handelt.

Aber was unterscheidet „guten“ von „schlechtem“ Populismus? Somm möchte die Frage dadurch beantworten, dass er aufzeigt, wer die „wahren Populisten“ sind. Es zeige sich nämlich, dass der „schlechte Populismus“ ein Produkt der von der gemässigten Linken bevorzugten repräsentativen Demokratie (wie in Prodis Italien) sei. Darin könnten die Politiker sich über die Wünsche und Nöte der Bevölkerung nach Belieben hinwegsetzen. Zum Handeln seien die repräsentativen Demokraten erst dann gezwungen, so meint Somm, wenn das Fass zu überlaufen drohe und man sich mit überstürzten Gesten, wie der genannte Fall Prodis bestätige, dem Volk entgegenzukommen gewillt zeige.

Anders verhalte es sich in der „direkten Demokratie“, denn darin können die Sorgen der Menschen frühzeitig erkannt und wie es Somm nennt, in die „hohe Politik“ geschleust werden. Hier ist die Quelle des „guten Populismus“ zu suchen und es wird nun auch das wahre argumentative Ziel Somms deutlich. Die „Ausschaffungsinitiative“ der SVP wird damit gerechtfertigt. Sie wird als Musterbeispiels des „guten“ Populisten hingestellt, der die Probleme des Volkes frühzeitig aufgreift.

Was ist eigentlich Populismus?
Indem Somm die Linke als die eigentlichen Populisten im negativen Sinne diskreditiert und die Rechte, insbesondere die SVP, als die Guten darstellt, die auf die Probleme des Volkes eingehen, weil sie dieses mitbestimmen und dadurch seine Sorgen einbringen lassen, verpasst er (oder will bewusst verpassen) den wirklichen Vorwurf des Populismus, dem sich die SVP ausgesetzt sieht. Denn die SVP ist nicht dadurch populistisch, dass sie auf das Volk eingeht und dieses mitbestimmen lassen will. Dies möchte natürlich auch die Linke.

Populismus zeigt sich vielmehr in der Art und Weise, wie man auf die Bevölkerung eingeht und diese für die eigene Sache gewinnen will. Im konkreten Fall der SVP zeigt sich dies insbesondere darin, dass ein an sich sehr komplexes Thema wie dasjenige der Immigration nicht in der ihm entsprechenden Differenziertheit angesprochen wird, sondern lediglich einige nachvollziehbare Lösungsvorschläge geliefert werden. Zudem wird darauf geachtet, dass man die vermeintlich ultimative Problemlösung einfach präsentiert und zwar so, dass gerade die Einfachheit der Lösung in der Art der Präsentation angezeigt ist.

In dieser Weise sind die Schäfchen-Plakate und die dahinter stehende „Ausschaffungsinitiative“ populistisch. Und in diesem Sinne ist auch der Artikel von Markus Somm populistisch, auch wenn er vordergründig eine differenzierte Argumentation aufzuweisen vermag. Dies zeigt sich etwa darin, dass Somm beabsichtigter Weise zwei Mal den Begriff „Zigeuner“ verwendet, anstatt die von ihm damit gemeinte ethnische Gemeinschaft korrekt als „Roma“ zu bezeichnen.

Die Strategie ist leicht nachvollziehbar. Indem man sich nicht an politisch korrekte Aussageweisen hält, zeigt man, dass man die Probleme in derselben Weise angeht, wie sie in der Basis angesprochen werden. Man lässt sich doch von irgendwelchen Intellektuellen nicht vorschreiben, wie man spricht. Man nennt die Dinge beim Namen. In der Weltwoche führt dies derzeit sogar, dies sei nur angemerkt, zu Bemühungen, den Begriff der „Rasse“ zu rehabilitieren.

Indem man jedoch solche Begriffe verwendet, wie etwa den klar negativ konotierten Begriff des Zigeuners, werden nicht nur bestehende Meinungen aufgegriffen und beim Namen genannt, sondern auch Meinungen mitgeschaffen und beeinflusst. Es ist dieser letzte Aspekt der deutlich rassistisches Potential aufweist, indem eine bestimmte Gruppe von Menschen als solche in negativer Weise angesprochen und stigmatisiert wird.

Diese Dimension der Diskriminierung kann dann auch nicht dadurch eliminiert werden, indem man wie Somm einfach darauf hinweist, dass man Ausländer grundsätzlich begrüsst, sind es denn nicht „die Falschen“.

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