Donnerstag, 29. November 2007

Der Dolchstoss.

„Der Dolchstoss wird nicht so schnell vergessen werden“, schreibt Roger Köppel in seinem jüngsten Tagebuch. Was geschah? Ueli Maurer (SVP) hat Ursula Gut (FDP) einstmals zu einem Regierungsratssitz verholfen. In der jüngsten Ausmarchung um den zweiten Zürcher Ständerratssitz rief nun aber dieselbe Ursula Gut zur Wahl von Verena Diener (GLP) auf.

Dies wird als symptomatisch dargestellt für das Problem der FDP: nämlich das sie ein „Frauenproblem“ hätten. Es „wimmle (…) am rechten Zürichseeufer von linken FDP-Frauen, die sich für Bildungsausgaben, gesellschaftspolitische Ausgaben und ökologische Ausgaben einsetzen, nicht aber dafür, worum es in der FDP eigentlich gehen sollte.“

Linke, ausgabenfreudige Frauen – darüber wurde an dieser Stelle schon einmal berichtet – verhinderten also den Wahlsieg von Ueli Mauerer, indem sie ihm in den Rücken fielen. Und zwar mit einem Dolch, frei nach der bekannten Metapher. Nur, was besagt die den eigentlich? Der Dolchstoss, vor allem in einem politischen Zusammenhang, verweist auf die sogenannte „Dolchstosslegende“ (wie man sich auch leicht durch nachgooglen des Begriffs „Dolchstoss“ überzeugen kann). In Wikipedia heisst es darüber: „Die Dolchstoßlegende war eine von führenden Vertretern der deutschen Obersten Heeresleitung (OHL) miterfundene Verschwörungstheorie, die die Schuld an der militärischen Niederlage des Deutschen Reiches im Ersten Weltkrieg vor allem auf die Sozialdemokratie abwälzen sollte. Sie besagte, das deutsche Heer sei im Weltkrieg „im Felde unbesiegt“ geblieben und habe erst durch oppositionelle „vaterlandslose“ Zivilisten aus der Heimat einen „Dolchstoß von hinten“ erhalten.“

Köppels Vergleich passt somit ganz gut: linksgesinnte FDP-Frauen / Sozialdemokratie verhindern den Wahlsieg / den Sieg. Nur ist es leider, der Metapher nach, eine Legende.

Die Legende soll die Schuld an einer Niederlage abwälzen. Auch dieser Aspekt der Metapher kennt Köppel, aber verdreht sie wieder nach eigenem Gusto: „Das Schlimme (…) ist, dass die Goldküstenfreisinnigen Diener nicht aus Überzeugung, sondern aus Abneigung gegen den bürgerlichen Ticketpartner wählten, weil sie ihn für Niederlagen verantwortlich machen, die sie selber zu verschulden haben.“ (meine Hervorhebung). Anders als in der Legende führt nicht der Dolchstoss zur Niederlage, sondern die Niederlage zum Dolchstoss.

Dass der studierte Historiker Köppel bewusst auf die Dolchstosslegende anspielt, scheint damit ziemlich deutlich. Was bezweckt er damit, dass er die Wendung gegen den Strich bürstet?Es wurde an dieser Stelle schon mal Köppels eigensinniges Geschichtsverständnis angesprochen. Oder ist es bloss eine etwas gesuchte Weise, seinem Tagebucheintrag etwas mehr Farbe zu geben?

Nicht zuletzt wird aber hier auch vorgeführt, wie anspielungsreich Sprache, insbesondere Wendungen und Metaphern, sein können. Dafür muss man Köppel nun fast wieder danken, variert doch in der selben Ausgabe Mörgeli mit heftigem Augenzwinkern das in der Weltwoche oft gelesene Sprüchlein, dass „schwarze Schafe“ diejenigen meine, deren Wolle man nicht brauchen könne, und sich die berühmt-berüchtig gewordene Metapher darauf und nur darauf beziehe.

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