Freitag, 7. Dezember 2007

Das „Milizgewehr“ als Symbol der Demokratie?

Die Weltwoche bleibt auch diese Woche (Ausgabe Nr. 49.07) ihrem Ziel treu, die freiheitlichen Werte der Schweiz gegenüber dem inneren Feind zu schützen. Obwohl im Bewusstsein der hohen Wähleranteile der SVP wähnt man sich noch immer in der Opposition gegenüber der Linken, die das Land nicht nur in die EU, sondern vollends ins Verderben führe. So gibt Hans Widmer dem Leser einen kurzen und einseitigen Abriss über die Geschichte der Schweiz, in dem die „Kultur der Selbstbestimmung“ gepriesen und für alle doch so positiven Errungenschaften, wie etwa Freiheit, Frieden, hohe Löhne und gar Umweltschutz, ursächlich ins Feld geführt wird. Soweit also nichts neues: Konservativismus fern jeglicher Selbstkritik intellektuell aufgepeppt, in der dieswöchigen Ausgabe z.B. durch Zitate von Kant und Habermas.

Die „Kultur der Selbstbestimmung“ sei jedoch einmal mehr in akuter Gefahr. Diesmal durch die aktuelle Debatte über den Ort der Verwahrung der Militärwaffe – privater Abstellschrank oder Zeughaus? Denn, wie Roger Köppel in seinem Tagebuch ausführt: „versinnbildlicht sich das demokratische Prinzip, das im Ernstfall verteidigt wird, [im Milizgewehr].“ Die Logik der Argumentation ist leicht nachzuvollziehen: Indem die Militärwaffe zum Symbol „des demokratischen Prinzips“ hochstilisiert wird, unterminiere die Linke mit ihrem Versuch dem schweizer Mann seine Waffe zu entreissen nicht nur dessen Verantwortung, sondern überhaupt die fundamentalen Werte des Landes. Und dies sei natürlich erst der Anfang, denn so Köppel: „Sind erst einmal die Waffen eingesammelt, drohen weitere Entmündigungen.“

Für Köppels Mitstreiter Markus Somm ist denn auch klar, dass der Entzug der „Milizwaffe“ mehr ist, als eine vermeintlich verfehlte linke Initiative zum Schutz der Bürger, sondern ein weiterer Schritt in Richtung: „Abschaffung der Armee, Zerschlagung der Miliz, schlanke Einpassung der Schweiz in das EU-System, Nato-Kompatibilität einer auf Auslandeinsätze getrimmten Armee.“

Die Lektüre der Artikel über die Frage nach dem Aufbewahrungsort der „Milizwaffe“ zeigt einmal mehr das Gut-Böse-Schema, mit dem die Weltwoche ihre Leser Woche für Woche zu indoktrinieren sucht. Die Argumentation liegt dabei auf einer für den Leser nachvollziehbaren Ebene, wobei die vermeintlich Schuldigen jeweils klar genannt werden. Die Linken, der Staat, die Ausländer usw. Absichtlich verdeckt werden dabei oft die wirklichen Probleme. Oder es werden fiktive Zusammenhänge geschaffen, um eine Problematik, wie die hier besprochene Frage bezüglich dem Verwahrungsort der Militärwaffe, bewusst politisch zu instrumentalisieren. So kann auch mal das Sturmgewehr zum Sinnbild der Selbstbestimmung werden, eine Aussage, die, wie man hoffen kann, den aufgeklärten Leser höchstens peinlich berührt.

Hat aber die Argumentation dafür, die Militärwaffe als Sinnbild schweizer Werte zu präsentieren durchaus noch etwas belustigendes, so geht der Artikel Grüne Gewalt von Urs Paul Engler leider weit über die Grenzen des Ertragbaren hinaus. Die Tat des Rekruten Luis W., der am Hönggerberg eine junge Frau mit seiner Militärwaffe erschossen hat, wird darin dazu missbraucht, um die Grüne Partei und andere linke Organisationen als potentielle Gewalttäter zu präsentieren. Diese und nicht einfach die Militärwaffen bildeten das „grösste Risiko der Schweiz“. Einen Fall, wie den Mord am Hönggerberg, der Medien und Menschen bewegt, dessen Motive jedoch ungeklärt und mit grösster Wahrscheinlichkeit nicht politisch sind, dazu zu verwenden, seine politischen Gegner zu diffamieren, ist einerseits eine einfach gestrickte, andererseits aber auch gefährlich populistische Strategie. Dass die Weltwoche, obwohl allgemein als reaktionäre sowie SVP nahe Zeitschrift bekannt – die jedoch noch immer ein gewisses journalistisches Nivea für sich beansprucht –, einen solchen Artikel abdruckt, sollte einem durchaus zu Denken geben. Dass solche Artikel Leser finden natürlich um so mehr.

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